Ein Interview mit Erich Nagl (Leiter ETL ADHOGA Berlin, Steuerberatung für Hotellerie und Gastronomie)
Auf die Corona bedingten Gastronomieschließungen folgten Lieferengpässe und nun rasant explodierende Preise – die Gastro-Branche hat es in letzter Zeit nicht gerade einfach gehabt. Dabei sind es nicht nur in die Höhe schnellende Preise, die mit der Inflation zusammenhängen. Auch ein schlechteres Konsumklima ist eine indirekte Folge der Inflation und bedroht damit ganze Existenzen. Was kannst Du als Gastronom nun also tun, um Dich und Deinen Betrieb langfristig über Wasser zu halten?
Wir von orderbird haben darüber mit einem Experten zum Thema Finanzen und Preise gesprochen. Erich Nagl, der Leiter von ETL ADHOGA Berlin für den Fachbereich Steuerberatung für Hotellerie und Gastronomie, teilt seine Einschätzung der derzeitigen Lage und gibt hilfreiche Tipps und Ratschläge, wie Gastronomen während der erhöhten Inflation bei der Kalkulation ihrer Preise vorgehen sollten. Im folgenden Interview erfährst Du, wie Du als Gastronom den Spagat zwischen den hohen Kosten und den Anforderungen Deiner Gäste schaffst und was Du tun kannst, um Deine Preise optimal anzupassen.
Guten Tag, Herr Nagl!
Sie als Leiter der Steuerberatungsgesellschaft ETL ADHOGA Berlin kennen sich umfassend mit den Themen Preiskalkulation und Finanzen aus. In diesem Kontext taucht auch der Begriff “Inflation” immer häufiger auf. Trotz der zunehmenden Verwendung des Wortes ist vielen die genaue Bedeutung dahinter jedoch meist gar nicht genau klar. Können Sie kurz erklären, was genau eine Inflation ist und wie sie entsteht?
Erich Nagl: Inflation ist der Kaufkraftverlust der heimischen Währung. Für die gleiche Leistung muss der Käufer nun also mehr Geld auf den Tisch legen als vorher. Inflation wird auch als Teuerungsrate bezeichnet. Etwa zwei Prozent pro Jahr werden von der Europäischen Zentralbank für gut befunden. Die aktuellen Raten sind nun jedoch rund viermal so hoch und können als volkswirtschaftlich ungesund bezeichnet werden.
Welchen Inflationsfolgen unterliegt dabei im Speziellen die Gastronomie? Gibt es neben den steigenden Kosten weitere resultierende Effekte, die die Branche betreffen?
Erich Nagl: Ja, die gibt es und diese Effekte sind schlimmer als die Preissteigerungen in der Beschaffung. Zum einen war das Gastgewerbe noch nie gut darin, Kostensteigerungen adäquat weiterzugeben. Meist wird zuerst auf den Unternehmerlohn verzichtet und die Preise werden erst dann weitergegeben, wenn die Reserven aufgebraucht sind. Zum anderen kann der Gast den Gastronomen, der seine Preise anpassen muss, dafür mit seiner Abwesenheit „bestrafen“, bis dieser sich an das neue Preisniveau gewöhnt hat. Das heißt im Zweifel muss der Gastronom acht bis zwölf Wochen überbrücken können.
Ist die voranschreitende Inflationsentwicklung denn auch bereits bei Ihnen in der Kanzlei angekommen? Was ist Ihr Eindruck, wie Gastronomen bislang mit den immensen Preissteigerungen umgehen?
Erich Nagl: Ja, die Entwicklung ist längst in den Buchhaltungen der Betriebe angekommen. Sei es in erhöhten Nebenkostenvorauszahlungen, höheren Aufwendungen für Ware als auch höheren Energiekosten. Man wundert sich schon, wenn der Strompreis von unter 10 auf über 40 Cent hochschnellt. Da hilft eben nur eins: Mitziehen so gut es geht.
In Vorträgen und in der Beratung versuchen wir die zwingende Notwendigkeit von Preisanpassungen aufzuzeigen und Gastronomen zu ermutigen, die unvermeidlichen Schritte schnell und konsequent umzusetzen. Wer von Herzen gerne Gastgeber ist, der will seinem Gast keinen Schmerz zufügen und denkt dabei direkt an die Rechnung und ob diese seinen Gast verstimmen könnte, sodass dieser nicht mehr wiederkommt. Dieses Denken ist aber falsch! Wer seine Gäste und Mitarbeiter liebt, der muss auskömmliche Preise nehmen, damit die Dienstleistung auch im kommenden Jahr noch angeboten werden kann.
Die Gastronomen stehen also zwischen den Stühlen – auf der einen Seite die hohen Ausgaben durch die explodierenden Energie-, Lebensmittel- und Lieferkosten und auf der anderen Seite unzufriedene Gäste, die sich die höheren Preise für ein Gericht nicht mehr leisten wollen. Sind Preisanpassungen ohne ein Ausbleiben der Gäste also gar nicht erst möglich?
Erich Nagl: Doch, es ist meine feste Überzeugung, dass dies möglich ist. Ich bin kein Freund der “Hau-drauf-Methode”, welche oft zum Einsatz kommt, wenn nichts anderes mehr übrig bleibt. Gastronomen haben es verpasst beizeiten, Woche für Woche und Gericht für Gericht, das Preisniveau in vielen kleinen Schritten anzupassen. Dabei muss nicht einfach der Preis um einen Betrag X erhöht werden. Durch das Austauschen von Produkten und ein wechselndes Angebot fällt die Veränderung gar nicht so sehr ins Auge. Obendrein spielt die richtige Kommunikation eine sehr große Rolle. Daher empfehle ich zu den Preisen zuerst die Mitarbeiter zu schulen, damit diese auch hinter den neuen Preisen stehen können.
Welche Rolle spielt dabei die richtige Kalkulation der Preise?
Erich Nagl: Eine seriöse Kalkulation ist immer die Grundlage für sämtliche Überlegungen und Entscheidungen in der Preispolitik eines Unternehmens. Das ist der Ausgangspunkt und am Ende der Reise steht die Grenze der Preisbereitschaft der Gäste. Preise sind nicht nur trockene Theorie. Preise haben ein „Eigenleben“. Sie funktionieren am besten, wenn beide Seiten gleich viel Freude damit empfinden.
Was galt bisher in Bezug auf das Thema Preiskalkulation? Gibt es eine Faustregel für die allgemeine Kostenkalkulation in der Gastronomie?
Erich Nagl: Die Faustregel lautet: „Was bei mir passt, passt bei Dir noch lange nicht.“ Nein, von Faustformeln halte ich sehr wenig, da sie zwar für einzelne Betriebe in bestimmten Situationen passen, aber nicht verallgemeinert werden sollten.
Wie sollten Gastronomen nun speziell im Kontext der Inflation damit umgehen, dass die monatlichen Einkaufspreise und Energiekosten steigen und Mitarbeitende mehr Gehalt fordern? Wie sollten sie ihre Preise kalkulieren, um ihren Betrieb bestmöglich aufzustellen?
Erich Nagl: In der Praxis hat sich bei den professionellen Betrieben die Deckungsbeitragsrechnung durchgesetzt: Man stelle sich vor, es gäbe einen Topf an Kosten, der jeden Monat befüllt werden muss, unabhängig davon, ob ein Gast kommt oder nicht. Jede Abteilung, jedes Produkt und jede Dienstleistung liefert mit den erzielten Umsätzen einen Beitrag, von dem die direkt zuordenbaren Kosten abgezogen werden. Das, was übrig bleibt, ist der Beitrag zur Befüllung des oben genannten Topfes der fixen Kosten. An diesen Beiträgen wird dann gemessen, ob eine Abteilung, ein Produkt oder eine Dienstleistung einen überdurchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Beitrag geleistet hat.
Haben Sie abschließend noch einen Tipp, den Sie den Gastronomen mit auf den Weg geben wollen?
Erich Nagl: Nutzt gute Berater und haltet zusammen, redet miteinander, lernt voneinander und stützt einander. Die Herausforderung steht nicht in der Küche des Mitbewerbers, es ist die Unwägbarkeit dieser Zeit.
Vielen Dank für das Gespräch!
Erich Nagl: Danke fürs Zuhören und eurem Engagement für die Branche!